Lisboa

Das Foto zeigt die Spielschachtel von Lisboa vor dem Hintergrund eines Bücherregals voller Comics. Die Spielschachtel steht dabei auf den auskragenden Comics der untersten sichtbaren Regalleiste. Auf der Spielschachtel steht geschrieben: "Lisboa / Ein Spiel von Viral Lacerda / Illustriert von Jan O'Toole".

Lisboa von Vital Lacerda ist ein sehr komplexes Expert*innenspiel, bei dem die Spieler*innen das von einem Erdbeben verwüstete Lissabon wieder aufbauen. Sie errichten Geschäfte und öffentliche Gebäude, kämpfen bei den Adligen am Königshof um Einfluss und bringen die Wirtschaft und den Seehandel wieder in Schwung. Die Kernmechanik des Spiels ist das Ausspielen von Karten, das die Aktionen im eigenen Zug bestimmt.

Lisboa fördert die Durchblutung im Gehirn – ein sehr forderndes Spiel. Die Aktionen sind komplex. Jeder einzelne Schritt ist zwar einfach und klar. Aber wenn die Aktion aus acht oder mehr einzelnen Schritten besteht, ergibt sich trotzdem eine Vielzahl von Dingen, die beachtet werden müssen. Wenn ich dann auch noch einen umfassenderen Plan verfolge und es die anderen Spieler*innen im Blick zu behalten gilt, kann es rasch viel werden. Wie gesagt: Ein sehr forderndes Spiel, selbst für unsere expertenspielerprobte Gruppe. Und während es für manche einen Pluspunkt darstellt, wenn Spieltiefe und Komplexität zu einer intensiveren Beschäftigung mit dem Spiel einladen und eine steile Lernkurve fast unvermeidlich ist, bevorzugen andere es, wenn sich das Spiel möglichst vom Start weg erschließt und gut runterspielen lässt. Lisboa ist eindeutig besser geeignet für die erste Vorliebe. Die Spieldauer ist übrigens für ein Spiel dieser Komplexität erstaunlich übersichtlich. Mit vier Spielern, von denen drei das Spiel zum ersten Mal gespielt haben, sind wir deutlich unter vier Stunden geblieben. Die Wartezeit bis zum nächsten Zug kann allerdings bei vier Spielern schon ein bisschen länger ausfallen – für einige sogar zu lang.

Es gibt wenige Spiele, die eine Thematik so gut in die Gestaltung des Spielmaterials und die Regelmechanik überführen wie Lisboa. Das hochwertige Material verschafft dem wunderbaren Artwork von Ian O’Tool die Präsenz, die es verdient. Orientiert hat er sich an der portugiesischen Kunst der Kachelkeramik: leuchtende Farben und verspielte Formen, die gleichzeitig eine klare visuelle Symbolik für das Spiel bieten. Auch Details wie die historisch nachempfundene Zeichnung der öffentlichen Gebäude, die imposant präsentierten Adligen am Königshof oder der in leuchtenden Farben angelegte Stadtplan Lissabons sind funktional und wunderschön – eine Augenweide. (Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass es im Auge des Betrachters liegt, was als Augenweide wahrgenommen wird – und manche von uns würden Lisboa eher trotz als wegen des Anblicks erneut auf den Tisch bringen.)

Der Wiederspielbarkeitsfaktor ist sehr hoch. Variationen im Spielaufbau, wie beispielsweise die Verteilung der Trümmerteile und der unterschiedliche Wert einzelner Straßenzüge, sowie die leicht unterschiedlichen Eigenschaften der Aktionskarten prägen jedes Spiel neu. Durch die Erlasse ergeben sich variable Endpunktbedingungen, die jedem Spiel und – innerhalb desselben Spiels – jedem Spieler und jeder Spielerin unterschiedliche strategische Herausforderungen bringen. Auch die vom Klerus gewährten Vorteile bringen Variabilität in die eigene Spielweise. Eine sehr schöne – und für den Erfolg des eigenen Spiels auch wichtige – Mechanik ist das Nachfolgen. Dadurch habe ich die Möglichkeit, im Zug der anderen Spieler*innen eine Audienz am Königshof zu bekommen. Dadurch ergeben sich wertvolle zusätzliche Aktionen.

Spieler*innen, die thematisch starke Spiele mit passender visueller Umsetzung mögen, kommen bei Lisboa voll auf ihre Kosten. Dabei ist Lisboa ein Fest für Tüftler*innen, die sich gerne in ein Spiel einarbeiten. Lisboa schreit danach, mehrfach auf den Tisch zu kommen, um das komplexe Zusammenspiel der zahlreichen Bereiche besser und besser zu durchdringen.

Das Foto zeigt das Spielbrett zum Ende des Spiels. Im Hintergrund wurde die Spielschachtel aufgestellt.

Bewertungsgrundlage: Erstpartie

Bewertungen der Spielegourmets:

  • Median: 8,0
  • Arithmetisches Mittel: 8,0